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Letzte Aktualisierung : November 2023

Profitrate und zyklische Krisen - USA, 1929 – 2022

[All] - EU 1929-2022 - Taux de profit & Crises cycliques

Anmerkung für das Lesen unserer Grafiken : All unsere Indikatoren wurden in Indexziffern verwandelt (1948 oder 1951 = 100). Ein Indexwert von 134 im Jahre 1966 für die Profitrate bedeutet, dass diese 34% höher war als ihr Niveau 1951, während ein Indexwert von 85 im Jahre 1982 bedeutet, dass sie 15% niedriger war. Die grauen Stäbchen sind nur da, um auf die Jahre der Wirtschaftskrise hinzuweisen, die offiziell als solche anerkannt worden sind, deren Höhe hat also keine besondere Bedeutung.

Profitrate und zyklische Krisen

Das Erwirtschaften eines Profits ist das Ziel und der Motor jeglicher Investition in die kapitalistische Wirtschaf : ein Kapitalaktionär wird nur investieren wenn er eine ausreichende Profitmasse und eine ausreichende Profitrate daraus zu ziehen erwartet : « Die Profitrate ist die treibende Macht in der kapitalistischen Produktion, und es wird nur produziert, was und soweit es mit Profit produziert werden kann. (…), soweit die Rate der Verwertung des Gesamtkapitals, die Profitrate, der Stachel der kapitalistischen Produktion ist (wie Verwertung des Kapitals ihr einziger Zweck)… » [1]. Sie mißt in etwa die endgültige Rentabilität der kapitalistischen Wirtschaft, denn sie schlägt den erzielten Profit um auf die angewandte Investition. Marx berechnet sie indem er den erzielten Mehrwert auf das investierte Gesamtkapital bezieht [2]. Wenn die Profitrate steigt (die Pfeile in der Grafik zeigen in die Höhe), prosperieren die Geschäfte, wenn sie sinkt (die Pfeile zeigen nach unten) schrumpfen sie und, wenn sie auf dem Tiefpunkt eines Zyklus des Steigens und Fallens steht oder diesen nähert (die Zirkel in der Grafik), bricht die Krise aus (die vertikalen grauen Stäbchen).

Diese hat übrigens zur Konsequenz die Ausbeutungsbedingungen der Lohnabhängigen zu verhärten und alle Elemente der produktiven Aktivität zu entwerten : die Löhne sinken in Folge des Ansteigens der Arbeitslosigkeit und das ‘Maschinenkapital’ (das konstante Kapital) entwertet sich in Folge der Pleiten, der unverkauften Waren, beziehungsweise der Liquidationen. Anders gesagt, indem der Zähler der Profitrate (der aus der Ausbeutung der Lohnabhängigen erheischte Mehrwert) erhöht wird, und der Nenner verringert (Entwertung der Maschinen und Senkung der Löhne), gestattet die Krise es der Profitrate sich wiederherzustellen. Ein neuer Produktionszyklus kann dann anfangen, bis zur nächsten Krise, und so weiter : « Die eingetretene Stockung der Produktion hätte eine spätere Erweiterung der Produktion – innerhalb der kapitalistischen Grenzen - vorbereitet. Und so würde der Zirkel von neuem durchlaufen. Ein Teil des Kapitals, das durch Funktionsstockung entwertet war, würde seinen alten Wert wiedergewinnen. Im Übrigen würde mit erweiterten Produktionsbedingungen, mit einem erweiterten Markt und mit erhöhter Produktivkraft derselbe fehlerhafte Kreislauf wieder durchgemacht werden » [3]. Der innere Krisenmechanismus schafft also, aus sich selbst, die Bedingungen die einen « erweiterten Markt », eine « erhöhte Produktivkraf » und « erweiterte Produktionsbedingungen » ermöglichen.

Das ist genau was uns die Grafik zeigt, in der jede Krise nach einem Zyklus des Ansteigens
Und des Fallens der Profitrate eintrit. So kündigt das Absinken der Profitrate seit 2013 die nächste Wirtschaftskrise an, eine Krise, deren Ausbruch die Pandemie im Jahr 2020 beschleunigt hat [4]. Dieses eigenständige Ein- und Ausatmen der produktiven Aktivität, unterbrochen durch periodische Krisen, ist eine der schönsten Bestätigungen der Analyse die Marx erstellt hat auf der Grundlage seiner empirischen Wahrnehmungen und seiner theoretischen Arbeiten. Sie wird im „Anti-Dühring“ wie folgt zusammengefasst [5] : « In der Tat, seit 1825, wo die erste allgemeine Krisis ausbrach, geht die ganze industrielle und kommerzielle Welt, die Produktion und der Austausch sämtlicher zivilisierter Völker und ihrer mehr oder weniger barbarischen Anhängsel so ziemlich alle zehn Jahre einmal aus den Fugen. Der Verkehr stockt, die Märkte sind überfüllt, die Produkte liegen da, ebenso massenhaft wie unabsetzbar, das bare Geld wird unsichtbar, der Kredit verschwindet, die Fabriken stehen still, die arbeitenden Massen ermangeln der Lebensmittel, weil sie Zuviel Lebensmittel produziert haben, Bankrott folgt auf Bankrott, Zwangsverkauf auf Zwangsverkauf. Jahrelang dauert die Stockung, Produktivkräfte wie Produkte werden massenhaft vergeudet und zerstört, bis die aufgehäuften Warenmassen unter größerer oder geringerer Entwertung Endlich abfließen, bis Produktion und Austausch allmählich wieder in Gang kommen. Nach und nach beschleunigt sich die Gangart, fällt in Trab, der industrielle Trab geht über in Galopp, und dieser steigert sich wieder bis zur zügellosen Karriere einer vollständigen industriellen, kommerziellen, kreditlichen und spekulativen Steeplechase, um endlich nach den halsbrechendsten Sprüngen wieder anzulangen - im Graben des Krachs. Und so immer von neuem. Das haben wir nun seit 1825 volle fünfmal erlebt und erleben es in diesem Augenblick (1877) zum sechstenmal » [6].

Die Pertinenz dieser Analyse wird nicht nur durch alle zyklischen Krisen bezeugt die sich seit dem Zweiten Weltkrieg ereignet haben, wie unsere Grafik aufzeigt, doch mehr im Allgemeinen durch die Vierundzwanzig internationalen Krisen die der Kapitalismus seit beinahe zwei Jahrhunderte erlebt hat, [7] wenn wir 1825 festhalten als die erste allgemeine Krise des Kapitalismus : «  (…) die große Industrie trat selbst (…) aus ihrem Kindheitsalter heraus, wie schon dadurch bewiesen ist, daß sie erst mit der Krise von 1825 den periodischen Kreislauf ihres modernen Lebens eröffnet » [8]. Daraus ergibt sich ein durchschnittlicher Zyklus von ungefähr acht Jahren zwischen jeder Krise.

Der zyklische Charakter der Kapitalakkumulation und ihrer Krisen seit zwei Jahrhunderten, sowie die nahezu perfekte Übereinstimmung der Entwicklung der Profitrate mit den Krisenausbrüchen, sollten zumindest diejenige erstaunen die sich, solcher Beweise zum Trotz, noch immer auf die luxemburgistische Analyse berufen, die bestätigt : « Die Formulierung des Kreislaufs der modernen kapitalistischen Industrie als einer zehnjährigen Periode war aber bei Marx und Engels in den 60er und 70er Jahren eine einfache Konstatierung der Tatsachen, die ihrerseits nicht auf irgendwelchen Naturgesetzen, sondern auf einer Reihe bestimmter geschichtlicher Umstände beruhten, die mit der sprungweisen Ausdehnung der Wirkungssphäre des jungen Kapitalismus in Verbindung standen. (…) Daß jene internationalen Krisen sich gerade alle zehn Jahre wiederholten, ist an sich eine rein äußerliche, zufällige Erscheinung » [9] und «  (…) der Trost wird leider durch einen einzigen Satz von Marx in Dunst aufgelöst, nämlich durch den Hinweis, daß « für große Kapitale der Fall der Profitrate durch Masse aufgewogen » werde. Es hat also mit dem Untergang des Kapitalismus am Fall der Profitrate noch gute Wege, so etwa bis zum Erlöschen der Sonne » [10]. Daß es im Verlauf von zwei Jahrhunderten Kapitalismus vierundzwanzig internationale Krisen gegeben hat, die so eng korrelieren mit der Entwicklung der Profitrate, hat nichts von « einer rein äußerlichen, zufälligen Erscheinung », und dies desto weniger als diese Korrelation in allen Punkten mit der Analyse Marxens im Kapital übereinstimmt. Ebenfalls werden die Unterstellungen Luxemburgs vom Ausgleich des Falls der Profitrate durch die Profitmasse für die großen Kapitalisten kaum bestätigt.

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[1] Karl Marx, Das Kapital, 3. Band, 3. Abschnitt : Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate ; 15. Kapitel : Entfaltung der innern Widersprüche des Gesetzes, III., resp. I. (M.E.W. Band 25, S. 269 ; S. 251).

[2] In einfacher Sprache : Profit / Gesamtkapital = Profit / (Löhne + Maschinenkapital) oder : Mehrwert / (variables Kapital + konstantes Kapital) - in marxistischer Ausdrucksweise.

[3] Karl Marx, Das Kapital, 3. Band, Ebenda, III. (M.E.W. Band 25, S. 265)

[4] Wir haben hier das Beispiel der Vereinigten Staaten von Amerika angeführt, weil dieses Land seit mehr als einem Jahrhundert die herrschende Wirtschaf bleibt, seinem Machtverlust seit den 1970er Jahren zum Trotz. Es ist deshalb oft der Ort des Krisenausbruchs auf internationaler Ebene (denken wir an die Krise von 1929 oder an die Krise der „Subprimes“ von 2008 bis 2009). Eine internationale Wirtschafskrise berührt unvermeidbar die Vereinigten Staaten und eine Krise in diesem Land berührt faktisch die Weltwirtschaf. Mit einigen Ausnahmen, wie Indien Und China zum Beispiel, sind die in diesem Beitrag beschriebenen Entwicklungen gültig für den größten Teil der Weltwirtschaft.

[5] Friedrich Engels, HERRN EUGEN DÜHRING'S UMWÄLZUNG DER WISSENSCHAFT (1878, 1885, 1894). Dieses von Engels unterzeichnete Werk ist in Wirklichkeit zusammen mit Marx verfaßt, diskutiert und geschrieben worden : « Ich bemerke nebenbei : Da die hier entwickelt Anschauungsweise zum weitaus größern Teil von Marx begründet und entwickelt worden, und nur zum geringsten Teil von mir, so verstand es sich unter uns von selbst, daß diese meine Darstellung nicht ohne seine Kenntnis erfolgte. Ich habe ihm das ganze Manuskript vor dem Druck vorgelesen, und das zehnte Kapitel des Abschnitts über Ökonomie (»Aus der ’Kritischen Geschichte’«) ist von Marx geschrieben und mußte nur, äußerlicher Rücksichten halber, von mir leider etwas verkürzt werden. Es war eben von jeher unser Brauch, uns in Spezialfächern gegenseitig auszuhelfen » Friedrich Engels, Vorwort zur 2. Deutschen Aufage, 23. September 1885.

[6] Friedrich Engels, HERRN EUGEN DÜHRING'S UMWÄLZUNG DER WISSENSCHAFT ; Dritter Abschnitt – Sozialismus ; II. Theoretisches. (M.E.W. Band 20, S.257).

[7] 1825, 1836–39, 1847–48, 1857, 1864–66, 1873, 1882–84, 1890–93, 1900–03, 1907, 1911–13, 1918–21 (1923 in Deutschland), 1929–32, 1937–38, 1948–49, 1952–54, 1957–58, 1966–67, 1970–71, 1974–75, 1980–82, 1990–91, 2001, 2008–09.

[8] Karl Marx, NACHWORT ZUR 2. DEUTSCHEN AUFLAGE DES KAPITAL, 24. Januar 1873 ; Das Kapital, 1. Band (M.E.W. Band 23, S. 20).

[9] Rosa Luxemburg, REFORM ODER REVOLUTION (1889) Erster Teil ; 2. Anpassung des Kapitalismus. Nachder 2. Aufage von 1908. (Gesammelte Werke, Band 1, 1/2, S. 383, 384).

[10] Rosa Luxemburg, DIE AKKUMULATION DES KAPITALS ODER WAS DIE EPIGONEN AUS DER MARXSCHEN THEORIE GEMACHT HABEN – EINE ANTIKRITIK. Erste postume Veröfentlichung : Frankes Verlag G.m.b.H., Leipzig, 1921. (Gesammelte Werke, Band 5, S. 446, Fußnote).

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Profitrate – Mehrwertrate – Zusammensetzung des Kapitals, USA, 1929 – 2022

[All] - EU 1929-2022 - Taux de profit - Taux de plus-value - Composition du capital

Die Profitrate misst die Rendite des gesamten investierten Kapitals. Er zeigt wie dieses investierte Kapital sich hervorhebt und bringt so den Umsetzungsgrad der kapitalistischen Zweckbestimmung zum Ausdruck. Von allen Gesetzen des Kapitalismus, ist es das Gesetz, das Karl Marx vom historischen Standpunkt als am wichtigsten betrachtete [1]. Dessen Schwankungen geben zwei dynamische Systeme wieder :

  1. Einerseits, die kurzfristigen Schwingungen der Akkumulationszyklen, bestehend aus einer Periode erhöhter Profitrate, gefolgt von einer niedrigeren und zuletzt von einer Rezession (1954, 1958, 1960, 1970, 1975, 1982, 1991, 2001, 2009, 2020...). Marx hat typischerweise die Wirtschaftszyklen, die er „Zehn-Jahres-Zyklen“ [2] genannt hat und die im Wesentlichen durch die Schwankungen der Mehrwertrate bestimmt werden, in sein Buch „Das Kapital“ [3] erforscht.
  2. Andererseits, die tendenziellen Entwicklungen der mittelfristigen Profitrate, die vier große Stadien von jeweils ungefähr fünfzehn Jahren erkennen lassen: ein Abwärtstrend (1966-1982), ein Aufwärtstrend (1982-1997), ein Abwärtstrend (1997-2009) und ein erneuter Aufwärtstrend seit 2009, mittelfristige Stadien, die im Wesentlichen durch die Zyklen von ungefähr fünfzehn Jahren der organischen Zusammensetzung (wertmäßig) des Kapitals bestimmt werden : (1958-69), (1969-82), (1982-2000), (2000-2009) et (2009-2021...).

Allerdings ist es nicht weil die Profitrate nach jedem Akkumulationszyklus sinkt, dass wir es unbedingt mit einem tendenziellen Fall der Profitrate zu tun haben, genauso wie die Klimaerwärmung und die Sommersaison beide einem Temperaturanstieg entsprechen, aber deswegen noch lange nicht dieselbe Kausalität teilen : die Klimaerwärmung hängt von menschlichen Tätigkeiten ab und die Sommersaison von der Erdrotation um die Sonne. Dasselbe gilt für die Profitrate : Ihre kurz- oder mittelfristigen Schwankungen, sowie die Gründe für diese Schwankungen dürfen nicht verwechselt werden. So können die häufig auftretenden Fälle der Profitrate nach den Akkumulationszyklen innerhalb eines mittelfristigen Aufwärts- oder Abwärtstrends dieser Profitrate stattfinden. Es ist auf mittelfristige Sicht, dass der tendenzielle Fall so wirkt wie es Marx in sein Buch „Das Kapital“ beschrieben hat, und nicht an jedem kurzen Zyklus [4].

Die Schwankungen der Profitrate ergeben sich aus der Entwicklung der Mehrwertrate im Zähler und aus der organischen Zusammenstellung des Kapitals im Nenner :

•    Die Mehrwertrate verteilt das Sozialprodukt zwischen Gewinn und Lohn: „... die Konsumtionskraft der Gesellschaft... auf Basis antagonistischer Distributionsverhältnisse, welche die Konsumtion der großen Masse der Gesellschaft auf ein nur innerhalb mehr oder minder enger Grenzen veränderliches Minimum reduziert. Sie ist ferner beschränkt durch den Akkumulationsbetrieb, den Trieb nach Vergrößerung des Kapitals und nach Produktion von Mehrwert auf erweiterter Stufenleiter“ [5]. Die Dynamik von Investitionen und Krisen hängt daher in hohem Maße von der Ausgewogenheit der Proportionalität dieser Verteilung ab, wie Marx in Band II des Kapitals erläutert.

•    Die organische Zusammensetzung des Kapitals misst die Wertsteigerung des Anlagevermögens, wenn Produktivitätssteigerungen in diesem Sektor die Ausgaben für den Kauf einer größeren Anzahl von Produktionsmitteln nicht mehr kompensieren können.

Das Schaubild zeigt eine sehr enge Beziehung zwischen der Entwicklung der Profitrate und derjenigen der Mehrwertrate, wobei die organische Zusammensetzung des Kapitals seine Auswirkungen nachträglich addiert oder konterkariert : Sowohl bei Rückgängen als auch bei Wiedereinziehungen wird die Profitrate erst nach der Umkehrung der Mehrwertrate rückgängig gemacht, wobei die Zusammensetzung des Kapitals erst danach ihre Auswirkungen addiert.

Es sollte jedoch nicht vergessen werden, dass sowohl der Zähler der Profitrate (die Mehrwertrate) als auch ihr Nenner (die organische Zusammensetzung des Kapitals) stark von Veränderungen der Arbeitsproduktivität beeinflusst werden. Die Auswirkungen des letzteren sind in den folgenden Grafiken detailliert dargestellt, in denen die Determinanten der Mehrwertrate und der organischen Zusammensetzung des Kapitals erklärt werden.

Um zu funktionieren, muss sich der Kapitalismus auf seine beiden Beine stützen : Produktion und Verkauf. Zu oft wird jedoch die Mehrwertrate so dargestellt, als würde sie auf den einzigen Strang der Schwierigkeiten in der Produktion reduziert (die Schwierigkeit, genügend Überstunden für ein bestimmtes Kapital zu extrahieren). In der Realität ist die Mehrwertrate eine synthetische Variable, die sowohl die Dynamik als auch die Widersprüche in Bezug auf die Produktion und die Wertschöpfung zum Ausdruck bringt: Da ihre Entwicklung sowohl von der Effizienz des Kapitals (im Nenner) als auch von der Verteilung des Gesamtprodukts (im Zähler) abhängt, misst sie sowohl die Fähigkeit des Kapitals, seine Rentabilität zu sichern, als auch die Angemessenheit der Lohnausgaben an die Produktion. Es ist daher falsch, nur einen der beiden Aspekte des Akkumulationszyklus (Produktion oder Verkauf) zu bevorzugen oder sie strikt voneinander abhängig zu machen. In der Praxis entwickelt Marx eine integrierte Sichtweise des Akkumulationszyklus zu einem System von teilweise unabhängigen Variablen. Diese synthetische Konzeption der Profitrate ist einer der wichtigsten methodischen Beiträge von Marx. Hier sind wir weit entfernt von all den vereinfachenden Schemen, die die komplexe Mechanik des Kapitals und seiner Widersprüche reduzieren und alles auf eine monokausale Erklärung zurückführen, wo die immer wiederkehrenden Krisen immer auf ein und dieselbe Ursache in der Geschichte zurückzuführen wären :

Abschließend muss die Profitrate als integrierter Indikator konzipiert werden, der sowohl die Bedingungen für die Produktion als auch das Erreichen des gesamten Sozialprodukts wiederherstellt. Er zeigt sowohl die Widersprüche, die mit der Verteilung des produzierten Wertes verbunden sind (der Klassenkampf - das heißt, die Mehrwertrate im Zähler), als auch den Mechanismus der Erhöhung des Volumens und des Wertes des fixen Kapitals (die Produktivkräfte - das heißt, die organische Zusammensetzung des Kapitals im Nenner).

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[1]   „…das wichtigste Gesetz der modernen politischen Ökonomie und das wesentlichste, um die schwierigsten Verhältnisse zu verstehn. Es ist vom historischen Standpunkt aus das wichtigste Gesetz. Es ist ein Gesetz, das trotz seiner Einfachheit bisher nie begriffen und noch weniger bewußt ausgesprochen worden ist“, Karl Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, MEW 42, S. 641.

[2] Die Wurzeln des Akkumulationszyklus liegen in der Notwendigkeit das konstante Kapital zum Nachteil des variablen Kapitals zu erhöhen; sein Rhythmus hängt daher im Wesentlichen von den Umschlagszyklen von ungefähr zehn Jahren des fixen Kapitals ab. „In demselben Maße also, worin sich mit der Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise der Wertumfang und die Lebensdauer des angewandten fixen Kapitals entwickelt, entwickelt sich das Leben der Industrie und des industriellen Kapitals in jeder besonderen Anlage zu einem vieljährigen, sage im Durchschnitt zehnjährigen. […] …Durch diesen eine Reihe von Jahren umfassenden Zyklen von zusammenhängenden Umschlägen, in welchen das Kapital durch seinen fixen Bestandteil gebannt ist, ergibt sich eine materielle Grundlage der periodischen Krisen“, Karl Marx, Das Kapital, Band 2, S. 185. Es sei erwähnt, dass Karl Marx aus der Zehn-Jahres-Periode ein Durschnitt macht und nicht etwas Absolute : „Es sind zwar die Perioden, worin Kapital angelegt wird, sehr verschiedne und auseinanderfallende. Indessen bildet die Krise immer den Ausgangspunkt einer großen Neuanlage. Also auch - die ganze Gesellschaft betrachtet - mehr oder minder eine neue materielle Grundlage für den nächsten Umschlagszyklus“, Karl Marx, Das Kapital, Band 2, S. 186.

[3] „Die Akkumulation nimmt ab. Aber mit ihrer Abnahme verschwindet die Ursache ihre Abnahme, nämlich die Disproportion zwischen Kapital und ausbeutbarer Arbeitskraft. Der Mechanismus des kapitalistischen Produktionsprozesses beseitigt also selbst die Hindernisse, die er vorübergehend schafft“, Karl Marx, Das Kapital, Band 1, vierte deutsche Wiedergabe, 1983, S.647. „Die Krisen sind immer nur momentane gewaltsame Lösungen der vorhandenen Widersprüche, gewaltsame Eruptionen, die das gestörte Gleichgewicht für den Augenblick wiederherstellen […] Die eingetretne Stockung der Produktion hätte eine spätere Erweiterung der Produktion - innerhalb der kapitalistischen Grenzen - vorbereitet. Und so würde der Zirkel von neuem durchlaufen. Ein Teil des Kapitals, das durch Funktionsstockung entwertet war, würde seinen alten Wert wiedergewinnen. Im übrigen würde mit erweiterten Produktionsbedingungen, mit einem erweiterten Markt und mit erhöhter Produktivkraft derselbe fehlerhafte Kreislauf wieder durchgemacht werden.“, Karl Marx, Das Kapital, MEW 25, S. 259 & 265.

[4] „So wirkt das Gesetz [des tendenziellen Falls der Profitrate] nur als Tendenz, dessen Wirkung nur unter bestimmten Umständen und im Verlauf langer Perioden schlagend hervortritt“, Karl Marx, Das Kapital, Band 3, S. 249. Karl Marx definiert also zwei Fälle, in denen ‚die Wirkung des Gesetzes schlagend hervortritt‘ : 1. „unter bestimmten Umständen“ und 2. „im Verlauf langer Perioden“. Aber was versteht er unter „langen Perioden“ ? Die Antwort befindet sich ganz klar am Anfang dieses Kapitels über gegenwirkende Einflüsse : „Wenn man die enorme Entwicklung der Produktivkräfte der gesellschaftlichen Arbeit selbst nur in den letzten 30 Jahren, verglichen mit allen frühern Perioden, betrachtet, wenn man namentlich die enorme Masse von fixem Kapital betrachtet, das außer der eigentlichen Maschinerie in die Gesamtheit des gesellschaftlichen Produktionsprozesses eingeht, so tritt an die Stelle der Schwierigkeit, welche bisher die Ökonomen beschäftigt hat, nämlich den Fall der Profitrate zu erklären, die umgekehrte, nämlich zu erklären, warum dieser Fall nicht größer oder rascher ist“, Karl Marx, Das Kapital, Band 3, S. 242. Wenn Karl Marx also „lange Perioden“ erwähnt, in deren Rahmen sich das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate abspielt, spricht er von „ungefähr 30 Jahren“. Daher befinden wir uns nicht in der Zeitlichkeit der Zehn-Jahres-Akkumulationszyklen und auch nicht in der jahrhundertealten Zeitlichkeit, die von manchen Autoren vorgebracht wurde und in Marx’s Werk nicht vorkommt, da für ihn zum einen das neuzeitliche Kapitalismus im Jahre 1825 anfing und er zum anderen Das Kapital in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schrieb.

[5] Karl Marx, Das Kapital, Band 3, S. 267

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Die Mehrwertrate und ihre Bestandteile, Vereinigte Staaten (1929-2022)

[All] - EU 1929-2022 - Taux de plus-value et ses déterminants

Die Schwankungen der Mehrwertrate widerspiegeln drei Hauptphasen, die die Entwicklung des Kapitalismus seit der Nachkriegszeit geprägt haben: Die Mehrwertrate steigt von 1948 bis 1966, sinkt bis 1982 und steigt seit diesem Zeitpunkt (mit Ausnahme von gelegentlichen Rückgängen während der Rezessionen im Jahr 2001 und 2009). In der Grafik ergeben sich die Schwankungen dieser Rate (1) aus den Schwankungen zwischen der Wertschöpfung der Arbeitnehmer (3) und ihren Kosten (4) : Die Mehrwertrate steigt, wenn diese beiden Kurven voneinander abweichen, und sinkt, wenn sie sich nähern. Die Schwankungen der Mehrwertrate könnten auch damit erklärt werden, dass es eine Abweichung zwischen der Produktivitätsentwicklung im Konsumgütersektor (5) und der Entwicklung der Reallöhne (2) gibt : Wenn die Produktivitätsgewinne höher sind als das Reallohnwachstum, steigt die Mehrwertrate und umgekehrt.


I. 1948-1966
Im Gegensatz zu einer weitverbreiteten Annahme entwickeln sich Löhne und Gewinne nicht unbedingt in umgekehrter Weise: Sie können zusammen steigen, wenn die Produktivitätsgewinne ausreichend stark und verteilt sind. Dies ist das "Wunder" der glorreichen Dreißiger Jahre, als alle wirtschaftlichen Variablen gemeinsam zunahmen und ermöglichten gleichzeitig eine Verkürzung der Arbeitszeit! Das führte zu Vollbeschäftigung und zu einer Verdreifachung der Reallöhne in den OECD-Ländern (im Durchschnitt). Die Grafik zeigt, dass die starke Produktivitätssteigerung in diesem Zeitraum :
* den Durchschnittswert von Konsumgütern verringert hat (5),
* und deswegen auch der Wert der Arbeitskraft (4),
* aber hat auch eine Reallohnerhöhung ermöglicht (2),
* ebenso wie eine Verkürzung der Arbeitszeit (3).

II. 1966-1982
Die Mehrwertrate sinkt in diesem Zeitraum, da die Verlangsamung der Produktivitätsgewinne (5) es nicht mehr ermöglicht, die Verkürzung der Arbeitszeit (3) und die Reallohnerhöhung (2) - insbesondere von 1966 bis 1972 - auszugleichen.

III. 1982-2010
Die Mehrwertrate steigt seit dem Jahr 1982 stark, weil sich die Produktivitätsgewinne im Konsumgütersektor wieder steigen - ohne jedoch den Stand der direkten Nachkriegszeit zu erreichen - (5), während die Arbeitszeit nicht mehr sinkt (sie steigt sogar seit dem Jahr 2010) (3) und sich das Reallohnwachstum deutlich verlangsamt hat (2).

Diese Erhöhung der Mehrwertrate sowie der Rückgang der organischen Zusammensetzung des Kapitals bis 2000 (als Folge dieser Erholung der Produktivitätsgewinne seit 1982) werden den Anstieg der Profitrate bis 1997 stützen, wie aus der obigen Grafik "Profitrate - Mehrwertrate - Zusammensetzung des Kapitals, Vereinigte Staaten (1951-2017)" hervorgeht.
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Die Mehrwertrate

Das erzeugte Gesamtwert besteht aus Löhnen (Wert der Arbeitskraft) und Gewinnen (Mehrwert). Die Mehrwertrate bezieht den Mehrwert auf die Gehälter. Da der Mehrwert gleich der erzeugten Gesamtwert minus Löhne ist, ist der Mehrwertrate gleich: Mehrwert / Löhne = (Gesamtwert - Löhne) / Löhne = (Gesamtwert / Löhne) - (Löhne / Löhne) = (Gesamtwert / Löhne) - 1 = (Gesamtwert / Wert der Arbeitskraft) - 1 = [ (3) / (4) ] - 1 in der Grafik.
Anders gesagt: In der Grafik steigt der Mehrwertrate bei Abweichungen der Kurven (3) und (4) und sinkt, wenn sich diese Kurven nähern.
Darüber hinaus lässt sich auch nachweisen, dass die Mehrwertrate von der Entwicklung der Arbeitsproduktivität und der Reallöhne abhängt: Wenn die Arbeitsproduktivität schneller steigt als die Reallöhne, dann steigt die Mehrwertrate und umgekehrt. Das wird durch die Grafik beweist: Wenn die Kurve (5), die das Gegenteil von der Produktivität darstellt, schneller sinkt als die Reallöhne steigen (2), dann steigt die Mehrwertrate und umgekehrt.

Der Reallohn

Der Reallohn entspricht der Anzahl der Verbrauchsmittel (Waren und Dienstleistungen), die ein Arbeitnehmer kaufen kann. Er ergibt sich als Verhältnis zwischen der Entwicklung der Nominallöhne (in Index-Form) und der Entwicklung der Verbraucherpreise (in Index-Form).

Wert pro Mittel des Verbrauchs

Das ist das Gegenteil der Arbeitsproduktivität. Er ergibt sich als Verhältnis zwischen der Entwicklung der Verbraucherpreise und der Entwicklung des monetären Entsprechenden der Werte (siehe unten).

Das monetäre Entsprechende der Werte

Das ist der Dollarwert einer Stunde Wertschöpfung. Es bezieht den Nettoinlandsprodukt des Marktsektors auf die Gesamtzahl der in diesem Sektor geleisteten Arbeitsstunden.

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Dynamik, widersprüche und krisen des kapitalismus

Couverture - Dynamiques, contradictions et crises du capitalisme

Marcel Roelandts : « BUCHVORSTELLUNG : Dynamik, widersprüche und krisen des kapitalismus »

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